in den vielen Jahren, in denen ich nun schon Einzelpersonen, Paare, Teams und Familien begleite, erlebe ich, dass kaum jemand ein entspanntes Verhältnis zum Thema "Konflikt" hat. Ich schließe mich selbst dabei ein:)
Ein Konflikt ist unangenehm, er erzeugt Spannungen und man weiß nie, wie er ausgeht. Es könnte zu Trennungen kommen, die Niemand will. Es könnte zu harten Worten kommen oder gar zu körperlicher Bedrohung. Viele von uns haben das schon erlebt. Besonders in Situationen, in denen wir abhängig waren. Und diese Kinderangst aktiviert sich schnell. Nicht mehr geliebt zu werden, beschimpft zu werden oder bestraft zu werden, sind ängstliche Erwartungen, die einen sachlichen Umgang mit Konflikten verhindern.
Dabei ist ein Konflikt zunächst einmal nichts anderes als eine Unterschiedlichkeit in den Erwartungen, Bedürfnissen, Ansichten: Er will nach dem Abendessen gemeinsam spazieren gehen, sie will gemeinsam ein Spiel spielen.
Er will, dass sie ihm zuhört, sie will, dass er ihr zuhört.
Ich könnte unendlich viele Alltagsbeispiele aufzählen.
Abhängig davon, wie stabil wir uns gerade fühlen, (ich könnte auch sagen: wie stark unser Selbst gerade ist) sprechen wir in diesen Situationen über Lösungsmöglichkeiten oder wir kämpfen oder flüchten.
Im Kampf oder Fluchtmodus werden Anteile aktiviert, die uns schon früher geholfen haben, ähnliche Situationen zu "überleben". Da ist dann vielleicht der "Jasager", der immer nachgibt oder die "Zicke", die nun gar nichts mehr zusammen machen will. Oder der "Vorwurfsvolle", der immer machen muss, was sie sagt. Oder die "Überhebliche", die klüger ist und deshalb nachgibt. Oder, oder, oder ....
Diese Anteile haben uns einmal in Situationen geholfen, in denen wir in Konflikten waren, die nicht auf Augenhöhe stattfanden. Und die wir nach wie vor sofort zur Hand haben, wenn wir sie brauchen. Sie werden auch Überlebensstrategien genannt. Sie sind kostbar und waren sehr lange sehr hilfreich.
Gleichzeitig stören sie, wenn wir heute Beziehungen auf Augenhöhe anstreben. Wenn wir heute in Konflikten nach gemeinsamen Lösungen suchen wollen. Wenn wir aufhören wollen, zu verletzen oder verletzt zu werden, "nur" weil wir unterschiedliche Meinungen, Erwartungen, Bedürfnisse haben.
Ein Konflikt ist zunächst nur ein Konflikt
kein Angriff, keine Kriegserklärung, kein Liebesentzug, kein Alleingelassenwerden, kein Beschämtwerden, kein Ausgelachtwerden
Wenn wir angegriffen werden, weil wir eine andere Meinung haben, findet dies immer aus einem Anteil des Angreifers statt.
Für mich ist die einzige Lösung nicht in den Kampf oder die Flucht zu gehen, im Selbst zu bleiben.
Mich zu erinnern, dass ich jetzt erwachsen bin und dass eine unterschiedliche Meinung zunächst keine unmittelbare Bedrohung darstellt und dass ich heute viele Handlungsmöglichkeiten habe.
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